der Haushalt hat ein wenig gedauert, daher gibt es unsere Haushaltsrede natürlich auch erst jetzt. Die ganzen Weihnachtsgrüße aus dem ersten Entwurf liegen jetzt an der Seite für später. Die Schrecken der Flutkatastrophe im Ahrtal werden langsam überstrahlt von den Schrecken in der Ukraine, der Energieknappheit und auch von der Hitze und der Dürre.
Der Haushalt, über den wir hier sprechen, ist mutig auf vielen Ebenen. Mutig ist er, weil er mit einem negativen Saldo ins Rennen geht. Das ist im Grunde in Ordnung, zeigt es doch an, dass es Aktivitäten gibt. Und Aktivitäten kosten nunmal Geld. Erfahrungsgemäß werden nie alle Budgets ausgeschöpft, sodass das Minus vertretbar ist und daher auch von uns mitgetragen wird. Zudem ist das mögliche Minus im Haushalt um ein Vielfaches abgesichert – durch Eigenkapital der Stadt. Das ist also sinnvoll mutig.
Mutig im Sinne von wagemutig ist der Haushalt bei der Position für das Jugendheim. Für 1,3 Millionen Euro ist es seriös nicht möglich, das Haus zu sanieren und nutzbar zu machen. Das wissen alle hier im Saal. Ein Vielfaches dieser Summe wird nötig sein, um alleine dem Denkmalschutz und dem Brandschutz gerecht zu werden. Ein vorheriges Gutachten stellte bereits sehr deutlich fest, dass dieses Verhältnis von Kosten und Nutzen bereits bei der Summe von 1 Million wirtschaftlich unsinnig ist. Diese Einschätzung teilen wir. Marius Stiehl hat bestätigt, dass die Mehrkosten, die die Sanierung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit produzieren wird, im Zweifel aus dem Stadthaushalt kommen sollen. Es ist nicht gut, eine Sanierung anzustoßen mit dem Budgetplan »Koste es, was es wolle«. Besonnene Haushaltspolitik sieht anders aus. Es ist aber richtig, dass die Stadt das Jugendheim erwerben will. Sinnvoller wäre es jedoch, das Jugendheim mit dem vorhandenen Budget soweit instand zu setzen, wie es möglich ist und dann für 50 Jahre zu verpachten. Die dringende Notwendigkeit eines Treffpunkts für alle Oberweseler Bürger sehen wir natürlich genauso wie alle anderen Anwesenden, nur wünschen wir uns, dass das Projekt und diese Örtlichkeit kritisch geprüft wird und alternativen Möglichkeiten keine künstlichen Denk-Grenzen gesetzt werden.
Keine Klimakomponenten im Haushalt
Ebenfalls mutig ist es, dass nicht eine einzige Klimaschutzkomponente im Haushalt enthalten ist. Die städtischen Immobilien brauchen neue Heizungen, Photovoltaik auf dem Dach und Dämmungen. Der Bauhof fährt mit Dieselfahrzeugen herum, die früher oder später klimaneutral ersetzt werden müssen. All das kostet Geld. Geld, das in diesem Haushalt nicht auftaucht, auch nicht als Rückstellung. Wir müssen nicht mehr darüber sprechen, ob es eine Klimakrise gibt, sie ist schon längst da. Auch wenn wir rein rechnerisch mehr Strom produzieren, als ganz Oberwesel verbraucht, sind wir nicht raus aus der Nummer. Das Ziel kann nur heißen, komplett klimaneutral zu werden. Und das so schnell es geht.
Ein Haushaltsplan schaut nach vorne, ohne jedoch wissen zu können, wie es am Ende wird. Die Planungen für das Neubaugebiet in Langscheid verhaken sich gerade beim Abwasser. Aber auch abgesehen davon sind die Kosten für die Erschließung weit über den Planungen. Die Grundstücke werden teurer auf den Markt gebracht werden müssen, damit wir als Stadt noch gerade so kostendeckend rauskommen. Zudem werden viele Häuslebauer sich fragen, wie abhängig sie in Zukunft vom Auto leben wollen. Das alles passiert in Zeiten sinkender Bevölkerungszahlen. Vielleicht ist »Hinter dem Graben« tatsächlich das letzte Neubaugebiet dieser Art, das wir hier auf den Weg bringen. Vielleicht ist es tatsächlich sinnvoller, alte Stadtkerne zu reaktivieren und neu mit Leben zu füllen.
Stadt muss für die Innenstadt aktiv werden
Corona hat die Verhältnisse zwischen Stadt und Land neu sortiert. Daniel Becker hat in seinem Vortrag im Kulturhaus im letzten Jahr gezeigt, dass die Bilanz aus Wegzug und Zuzug nach Oberwesel positiv ausfällt. Frankfurt ist voll, Mainz auch. Bingen und Koblenz werden teuer und eng, da wird der ländliche Raum attraktiver. Home-Office und Telearbeit werden nicht wieder weggehen, wenn Corona mal unter Kontrolle ist. Das ist eine große Chance für uns. Es gibt nicht nur leere Bauplätze im ganzen Ortsgebiet, es gibt auch sehr viel Potenzial in der Innenstadt. Wir unterstützen mit Nachdruck die Forderung von Daniel Becker, dass die Politik hier ihre passive Haltung aufgeben und aktiv in den Immobilienmarkt eingreifen muss. Ein Antrag in diese Richtung von der SPD wurde ja energisch von der Mehrheitsfraktion zurückgewiesen. Das muss anders werden! Ebenfalls dazu gehört natürlich Glasfaser in jedes Haus, nicht nur Leerrohre in der Straße.
Andere Entscheidungen dauern länger als gedacht, der Umbau des Sportplatzes in Dellhofen hat durch Baumängel auf sich warten lassen. Auch das Kirchenumfeld zeigt sich nur von seiner trostlosen Seite, der altehrwürdige Kirchturm steht verloren herum. Wann es hier wirklich weiter geht ist noch offen, ebenso die abschließenden Planungen des Glasanbaus mit weiterhin ungeklärter Klimatisierung im Sommer und Winter. Obendrein kommen noch die immer weiter steigenden Planungs- und Baukosten, 20% mehr sind jetzt bereits schon auf dem Deckel. Stehen da Kosten und Nutzen noch im Einklang?
Unser Erfolg: Jugendpflege kann in Oberwesel starten
Aber es gibt auch erfreuliches zu berichten. Wir freuen uns sehr, dass unser Drängen Erfolg zeigt und sich was bewegt in der Jugendpflege. Das Budget, das seit Jahren ungenutzt beim Kreis für die Jugendpflege in Oberwesel herumliegt, können wir auf unseren Vorschlag hin endlich nutzen und langfristig eine echte Jugendpflege einrichten. Zunächst wird eine ehrenamtliche Betreuung den Bedarf ermitteln. Anschließend kann es hoffentlich losgehen mit einer neuen Stelle. Wir hoffen sehr, dass sich für diese spannende Aufgabe ein engagierter Mensch findet und können ihm oder ihr als Stadt mit aufrichtiger Unterstützung zur Seite stehen.
Wichtig ist: Diese Jugendpflege ist keine Konkurrenz zu den vielfältigen und großartigen Vereinsangeboten, sondern eine sinnvolle Ergänzung. Nicht alle Jugendlichen wollen Fußball spielen, nicht alle fühlen sich zur Blasmusik hingezogen. Und auch wer Fußball und Tuba spielt, hat vielleicht trotzdem Lust, einfach andere Jugendliche zu treffen. Wichtig ist, möglichst viele und möglichst verschiedene Angebote zu machen. Die Jugendlichen von heute sind die Oberweseler von morgen. Wenn sie sich nur an Ödnis und Langeweile erinnern, gehen sie weg und kommen nicht zurück. Sie kommen zurück, wenn sie sich daran erinnern, dass es einen Ort für sie gab. Daher ist Jugendpflege eine echt gute Investition in die Zukunft.
Blicken wir nach vorne. Das Jahr ist schon halb rum. Wir haben nagelneue gelbe Tonnen bekommen, die Zeit der aufgerissenen gelben Säcke auf den Straßen ist vorbei. Der neue Landrat ist im Amt und wird sich hoffentlich für eine schnelle und zuverlässige Rheinquerung einsetzen, egal in welcher Form.
Die Buga GmbH wurde ja stark erschüttert durch den Tod von Berthold Stückle. Jetzt ist ein Nachfolger in Sicht und die Buga-Arbeit kann hoffentlich wieder Fahrt aufnehmen. Unser Buga-Motto “Lage: extrem!” bekommt nach diesem Jahr eine besondere Dringlichkeit. Wir können in Oberwesel zeigen, wie eine Stadt mit Klimastress umgeht und wie Täler sich Starkregenfest machen können. Wir sollten auch unbedingt zeigen, wie der Stadtwald umgebaut wird und was das mit einer eigenen Baumschule zu tun hat. Oberwesel hat viel zu erzählen und viel zu gewinnen!
Wir freuen uns auch, den Haushalt als PDF erhalten zu haben, das macht es wesentlich leichter, darin zu suchen und damit zu arbeiten. Ich möchte mich abschließend natürlich im Namen unserer Fraktion bei Herrn Grings bedanken für seine gewohnt gute Aufarbeitung des Haushalts.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
In diesem Sinne
Ihre Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat Oberwesel