Haushaltsrede 2019

Diese Rede wurde am 16.12.2019 in der Stadtratssitzung Oberwesel zur Haushaltsdebatte gehalten.

 

Vor ziemlich genau einem Jahr saßen beim Antonio im Keller etwa 25 Leute, die sich neu für Oberwesel engagieren wollten. Hätte uns damals jemand gesagt, dass wir aus dem Stand mit fast 19%  in den Stadtrat einziehen werden, wir hätten gelacht. Der Umfang des Haushaltsentwurfs für 2020 zeigt, wie komplex die kommunalen Strukturen sind, wir haben also gut zu tun. 

Wir sehen, dass Oberwesel an einem Scheidepunkt ist. Auf der einen Seite steht ein Teil der Infrastruktur auf der Kippe, wie zum Beispiel das Krankenhaus oder die Pfarrgemeinde. Der Pastor hinterlässt eine Lücke, die sich mit Ratlosigkeit und mit Resignation füllt. Einiges bricht weg, die Stimmung ist bei einigen Oberweselern nicht gerade nach Party. Wir sehen aber auch, dass der ganze Mittelrhein vor einer großen Chance steht. Die BUGA 2029 ist das größte Infrastrukturprojekt der letzten und der nächsten Jahrzehnte. Wir können mit den Mitteln der BUGA viele notwendige Projekte anstoßen und Investitionsrückstände verkleinern. Das wichtigste an der BUGA ist aber, dass eine Region gemeinsam nach vorne blickt. 

Wir sehen diese Situation auch am Haushalt, der hervorragend aufbereitet wurde von Herrn Grings. Oberwesel steht finanziell einigermaßen gesund da, muss aber gerade jetzt investieren, damit das auch so bleibt. Die Pachtverträge mit den Windkrafträdern laufen irgendwann aus und die Steuern fließen vielleicht nicht immer so gut. Wir schauen also zweifelnd auf die Gegenwart, aber auch zuversichtlich in die Zukunft. Wie soll das denn alles werden? Dieses Spannungsfeld ist die Stunde der Gestalterinnen  und Gestalter. Wir können jetzt Oberwesels Karten geschickt spielen, damit der Ort in der Region ein Anker ist und bleibt.

Die Themen der Zukunft sind auch grüne Themen. In den nächsten acht Jahren entscheidet sich, ob wir die globale Klimakrise in den Griff bekommen oder ob wir den nächsten Generationen ein heißes Chaos hinterlassen. In den nächsten acht Jahren entscheidet sich auch, ob Oberwesel mit der BUGA zukunftsfest und enkelsicher wird oder ob wir zwei Jahre vor der BUGA hektisch Bauanträge ausfüllen. Das, was uns gut macht und was auch diesen Stadtrat gut macht, ist die Mischung der Menschen. Aristoteles hat gesagt, dass ein Dorf aus gleichen Menschen besteht und eine Stadt aus unterschiedlichen Menschen. Wenn ich dem folge, ist Oberwesel eine Stadt. Und was für eine. Wir wollen diese Stadt und diese Mischung feiern und weiter nach vorne bringen. 

Dazu gehört in unseren Augen eine gelebte Willkommenskultur, die offen ist für neue Bürger, neue Ideen und neue Wege. Das fängt mit einem Willkommenspaket für Neu-Oberweseler an und hört bei einem Lotsen für Bauvorhaben nicht auf. Emmelshausen hat ein solches Willkommenspaket  bereits eingeführt, auf der anderen Rheinseite gibt es bereits einen Lotsen für Bauvorhaben. Beide Vorhaben stärken die Bindung an den Ort und machen Neues einfacher. Beides läuft mit großem Erfolg. 

Es geht darum, die richtigen Ideen zu finden, die zu Oberwesel passen. Und diesen Ideen dann so viel Raum zu geben wie sie brauchen. Wenn wir neue Geschäftsideen nach Oberwesel locken wollen, müssen wir ein Milieu bieten, in dem sich neue Ideen wohl fühlen. Die rheinische Offenheit und Glasfaser ist da schon die halbe Miete. Die andere Hälfte besteht aus kurzen Wegen, entscheidungsfreudigen Ansprechpartnern und transparenter Kommunikation. 

Wir können für Unternehmen aktiv werden und zum Beispiel die Stellplatznachweise für neue Gastronomiebetriebe in der Innenstadt von derzeit 2600 € auf nur einen symbolischen Euro absenken. Wir brauchen viele Bausteine wie diesen, um neue Unternehmen nach Oberwesel zu locken. 

Wir sind mitten in der Klimakrise. Und wir können auf lokaler Ebene sehr viel tun, um unseren Beitrag zu leisten. Wir können im ganz Kleinen anfangen und im nächsten Sommer am Rathaus die Blumenkästen nicht mit Geranien bepflanzen. Geranien sind zwar hübsch, aber sie sind für Bienen und Insekten ein leerer Teller. Es gibt sehr viele gute Alternativen. 

Drohnen-Feuerwerke ermöglichen ganz neue Attraktionen wie etwa eine Mittelrheinbrücke aus Licht.

Wir können über Gewohnheiten nachdenken und zum Beispiel das Feuerwerk bei Rhein in Flammen durch ein Drohnen-Feuerwerk ersetzen. Das spart viel Feinstaub, der Feuerwehr viel Arbeit, lässt Hunde ruhiger schlafen und wir könnten sogar eine Mittelrheinbrücke aus Lichtern bauen. 

Wir können auch ganz groß denken und Oberwesels Energieversorgung bis zur BUGA zu 100% autark und regenerativ machen. Die Windkrafträder sind schon da. Stromturbinen im Rhein könnten folgen, dazu Biogasanlagen. Es wäre machbar und ein Signal weit über den Rhein-Hunsrück-Kreis hinaus. 

Wir können auch Teil eines großen Netzwerks werden. Die Heinz-Sielmann-Stiftung hat am Bodensee damit begonnen, ein Biotop zu schaffen und damit in kurzer Zeit sehr viel für den Artenschutz getan. Sie haben auf 3 Hektar ein Feuchtbiotop geschaffen und sind mehr als begeistert, wie viele seltene Tiere dort ein Zuhause gefunden haben. Viele Touristen kommen nur wegen dieses Biotops und entdecken dann die Region. Die Stiftung bietet einen Handlungsleitfaden an, mit der jede Kommune ihr eigenes Biotop auf die Beine stellen  kann. Unser Förster Timo Hans hat bereits ein Stück Fichtenplantage vorgeschlagen, dass vielleicht für dieses Projekt geeignet ist. Oberwesel wäre dann Teil eines deutschlandweiten Biotop-Verbunds, trägt damit aktiv zum Artenschutz bei und hat eine neue Attraktion für sanften Tourismus. 

Wir können auch in den sozialen Medien eine neue Geschichte von Oberwesel erzählen. Eine Geschichte mit traumhafter Kulisse und E-Bikes. Eine Geschichte von einer starken und geselligen Bürgerschaft und unfassbar aktiven Vereinen. Eine Geschichte von Besuchern aus aller Welt, von denen einige direkt hier geblieben sind. Dazu braucht es eine abgestimmte Kommunikation und vor allem eine stärkere Verbreitung in den digitalen Netzwerken. Wir wollen ein neues Kapitel für Oberwesel aufschlagen. Wir wollen, dass man hier von begeisterten Instagrammern über den Haufen gerannt wird. Wir wollen Wanderer, die sich nicht sattsehen können und abends beim halben Schoppen direkt den nächsten Urlaub buchen. Auf dem Telefon. Im Internet. 

Wir wollen Jugendliche, die hier sinnvolle Angebote finden und nicht einfach nur weg wollen. Dafür braucht es echte Jugendarbeit und nicht nur jemanden, der einen Raum im Jugendheim aufschließt. Wir wollen Arbeitsplätze, die langfristig das Geld in der Region generieren und halten. Dafür braucht es guten innerstädtischen Wohnraum und Perspektiven für Azubis. Wir wollen einen Mittelrhein, der alle Vorteile von einem sanftem Tourismus nutzt und bespielt. 

Um es kurz zu machen: Wir wollen ein Oberwesel, in dem sich alle wohl fühlen. Und – jetzt müssen alle sehr tapfer sein – wir wollen eine bessere Zusammenarbeit mit St. Goar und eine neue Zusammenarbeit mit Emmelshausen, denn gemeinsam erreichen wir ab dem nächsten Monat als neue Verbandsgemeinde noch mehr. 

Wir möchten uns bei allen bedanken, die uns als Neulingen hier im Rat und in den Ausschüssen mit Geduld und Langmut weiter helfen. Marius, wir vermuten, dass du dir deinen Amtsantritt vielleicht etwas weniger hektisch vorgestellt hast. Du hast deine Amtszeit begonnen mit den Worten »Gemeinsam für Oberwesel«. Das finden wir gut. Das gepaart mit guter Kommunikation. Das finden wir noch besser, damit es ein Oberwesel für alle ist!

Wir möchten dem Verbandsgemeinde-Bürgermeister Thomas Bungert danken für seinen bisherigen Einsatz für den Erhalt der Loreley-Kliniken. Auch er hat sich die letzten Wochen seiner langen Amtszeit sicher etwas geruhsamer vorgestellt. Wir hoffen, dass dieser Schwung auch im nächsten Jahr erhalten bleibt und wünschen alles Gute für den neuen Lebensabschnitt. Wir möchten uns bedanken bei Herrn Kalkofen, der unsere Fragen zum geheimnisvollen Kommunalwahlrecht geduldig beantwortet hat und wir möchten uns natürlich bei den Oberweselern, Dellhofener, Engehöllern und Langscheidern bedanken, die so wagemutig waren, uns zu wählen. 

Wir freuen uns gleich darauf, zu unserer ersten Weihnachtsfeier des Stadtrats mit in den Grünen Kranz zu gehen und sind im Geiste bei den vielen, die damals beim Antonio mit dabei waren und uns und unsere Ideen immer noch unterstützen. Wir freuen uns auf eine knackige Legislatur und wünschen allen ein wunderbares Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr!

Vielen Dank.

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