Sehr geehrter Stadtbürgermeister Marius Stiehl,
sehr geehrter Verbandsbürgermeister Herr Unkel,
sehr geehrte Beigeordnete,
liebe Ratsmitglieder,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
liebe Gäste aus Oberwesel und außerhalb,
ich hoffe, alle sind wohlbehalten aus dem Mittelalter und vom Wein-Date wieder zurück gekommen. Nach fünf Jahren Zwangspause war das Spectaculum ein voller Erfolg und eine echte Wohltat, die sehr viele Gäste offensichtlich genossen haben. Im Mittelalter hat man nicht nur Gelage gefeiert, sondern auch gehaushaltet, allerdings vermutlich noch ohne Excel. Also zum Haushalt.
Lange Rede – kurzer Sinn: Wir tragen diesen Haushalt mit, haben aber deutliche Kritikpunkte. Die Kinder, die jetzt in der Grundschule sind, werden irgendwann fragen: »Ihr hattet die Möglichkeiten, ihr hattet die Mittel und ihr habt nichts gemacht?«. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Oberwesel hat eigenes Geld und einen annähernd ausgeglichenen Haushalt – das ist nach drei Jahren Corona, einer Energiekrise und einer breiten Verunsicherung in der Bevölkerung nicht selbstverständlich. Die Welt sortiert sich gerade ruckartig neu, die jahrzehntelang verdrängte Energiewende kommt mit Karacho durch die Tür gebrettert. Und wie bereitet sich Oberwesel darauf vor? Gibt es außer zwei geplanten Ladesäulen am Bahnhof Maßnahmen, um sich fit für die Zukunft zu machen?
Wir haben jetzt die Mittel und wir haben noch die Zeit, um Oberwesel klimafit zu machen, stattdessen wird im Bauhof eine neue Gastherme eingebaut. In zehn Jahren wird man auf diese Entscheidungen mit Kopfschütteln zurückblicken.
»Ihr hattet die Möglichkeiten, ihr hattet die Mittel und ihr habt nichts gemacht?«
Oberwesel klimafit?
Die Klimaextreme werden zunehmen, der Mittelrhein ist jetzt schon 1,2 Grad über der Durchschnittstemperatur angekommen. Die engen Gassen brauchen im Sommer Kühlung, zum Beispiel durch Pflanzen. Die Ortsteile sind mehr Wind und mehr Hitze ausgesetzt. Auch hier kann die Bepflanzung helfen. Was passiert hierzu? Hier vorm Rathaus stirbt ein Rotdornbaum langsam vor sich hin und wird mit einem Seil vor dem Umkippen gerettet.
Der Starkregen im Ahrtal hat so tiefe Wunden hinterlassen, dass bis heute keine rechte Aufbruchstimmung entstehen mag. Einige sind weggezogen. Die Täler von Oberwesel sind geografisch sehr vergleichbar mit dem Ahrtal. Großes Hinterland, Täler eng bebaut, teilweise eng überbaut. Die damaligen Angebote vom Bund für eine kostenfreie Beratung zum Starkregenschutz wurden nicht angenommen. Stattdessen wurden 100.000 Euro über die VG für ein sogenanntes Starkregenkonzept ausgegeben, das man grob zusammenfassen kann mit den Worten »hoffentlich sind Sie gut versichert.«. Niemand kann vorhersagen, wo und wann der nächste Starkregen kommt. Aber hier sind wir nicht gut vorbereitet. Wir haben die Mittel, wir haben die Zeit und sind dennoch nicht gut vorbereitet.
Buga
Die Buga hat gerade keinen einfachen Job. Sie müssen den vielen Orten am Mittelrhein erklären, dass das Buga-Budget nicht gleichmäßig verteilt wird, sondern an vier Orten konzentriert Akzente setzen wird. Eigentlich sollten es nur drei werden, aber Falko Hönisch hat sich für St. Goar stark gemacht. Jetzt sind es vier. Oberwesel geht bekanntermaßen leer aus. Gott sei Dank hat Jürgen Port das Städtebauförderprogramm in seiner Amtszeit noch auf die Schiene gesetzt, mit dem jetzt das Rheinufer in Wert gesetzt werden kann. So kann Oberwesel wenigstens mit einem sogenannten Korrespondenzprojekt dabei sein. Nicht einmal die Mieteinnahmen der Buga-Zentrale gehören der Stadt, sondern gehen an die VG. Wenn wir bei der Buga dabei sein möchten, müssen wir uns selber etwas ausdenken und dafür etwas tun. Auch hier sehen wir von städtischer Seite leider keine Bemühungen, die über das Rheinufer hinausgehen.
Jugendarbeit
Da sind wir peinlicher Weise auch nicht weiter gekommen. Statt Nägel mit Köpfen zu machen und für eine hauptamtliche Lösung offen zu sein, war leider nur ein Kompromiss möglich. Der Kompromiss lautete, mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit erst einmal den Bedarf zu ermitteln, um danach weiter zu sehen. Diesem Kompromiss haben wir zugestimmt, mehr war halt nicht möglich. Wie erwartet hat sich für diese Tätigkeit niemand gefunden, wen wunderts? So eine Aufgabe erledigt niemand für ein Taschengeld, aber mehr war nicht möglich. Die Gelder stehen nach wie vor bereit, wir müssen nur wollen. Die Vereine leisten bereits einen Batzen in der Jugendarbeit, aber es ist nicht ihre Aufgabe, diese Art von kommunaler Fürsorge zu erbringen. »Besser als gar nichts« ist zu wenig. Zu wenig, um bei den Kindern von heute und damit den Eltern von morgen in guter Erinnerung zu bleiben. Es ist auch zu wenig, um den sozialen Raum von heute und morgen aktiv zu gestalten. Den Haushalt hätte eine echte Jugendarbeit wenig belastet, die Lücke ist jetzt umso größer.
Kirchenumfeld Dellhofen
Die bisherigen Planungen waren von Anfang nicht ausgegoren, auch die Kommunikation dazu war eher suboptimal. Von diesen Planungen endlich abzurücken, ist daher absolut richtig. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, auch wenn wir als Stadt Fördermittel zurückzahlen müssen. Wir hoffen, dass sich diese Planungsfehler nicht wiederholen und jetzt zügig das Kirchenumfeld in Wert gesetzt wird, damit Dellhofen seine Mitte wieder hat.
Jugendheim
Ich traue mich fast nicht, das Wort auszusprechen, aus Sorge dass es wieder laut wird, aber ich muss es sagen: Jugendheim! Wir bleiben dabei: es ist zwar richtig, dass wir als Stadt das Jugendheim kaufen werden, aber es ist nicht richtig, ohne ein Konzept und ohne eine belastbare Nutzungsform einen Posten von zunächst 1,35 Millionen, jetzt bereits 2,7 Millionen Euro bereitzuhalten. Und diese Zahlen sind nur geschätzt. Wie teuer es am Ende wird, ist nicht abzusehen. Nicht abzusehen ist auch, ob wir tatsächlich 80% Förderung bekommen oder »bis zu 80%«. Investieren ja bitte, aber bitte nicht mit der Brechstange.
Welche Vereine werden das Jugendheim nutzen? Wie viele Personen werden das sein? Wie viel Miete müssen diese Vereine zahlen, wenn die Sanierung teuer wird? Wie steht es um die Barrierefreiheit? Soll wirklich ein originales Jugendstilhaus abgerissen werden für nur fünf Parkplätze? Alles ungelöste Fragen, die den Standort als wenig geeignet erscheinen lassen. Oberwesel kann eine eigene Stadthalle vertragen, das ist unstrittig. Aber wenn, dann bitte so, dass alle was davon haben. Den Leuten zu sagen, »seht zu, wie ihr da hoch kommt«, ist vielleicht nicht die charmanteste Art, miteinander umzugehen. Unser Lösungsvorschlag dazu ist bekannt. Einen neuen Rheinbalkon braucht hingegen niemand am Mittelrhein.
Investieren ja bitte, aber bitte nicht mit der Brechstange.
Brücke über die Hafeneinfahrt
Mit schwerem Herzen mussten wir uns von dem Plan verabschieden, eine Fußgängerbrücke über die Hafeneinfahrt zu bauen. Das würde die Hafenmole erschließen und neue Wege ermöglichen. Ein Glas Wein in der Abendsonne wäre möglich, ein Gewinn für das ganze Rheinufer. Ganz verstanden haben wir bis heute nicht, warum die berechnete Mindesthöhe dieser Brücke erst von einem mittleren Rheinpegel ausging und später von einem theoretisch denkbaren Höchstpegel. Manchmal sind die Regeln auch so, wie sie gerade passen. Wir hätten die Möglichkeiten, wir hätten die Zeit dazu, aber diese Chance ist vertan.
Neubaugebiet Langscheid
Das Neubaugebiet ist nach gefühlt ewigen Verzögerungen endlich startklar und dann drehen die Märkte weg. Die Zinsen haben sich vervierfacht, ein Ende ist da noch nicht in Sicht und die Banken melden starke Rückgänge bei den Immobilienkrediten. Wir wären daher klug beraten, nicht alles auf einmal zu erschließen, sondern in zwei Etappen, wie ja auch in den Planungen schon vorgesehen. Man weiß ja nie und sollte es tatsächlich so kommen, dass für eine längere Zeit die Zinsen hoch sind und die Baumaterialien teuer, dann hätten wir als Stadt das Risiko gemindert und nicht alle Eier in einen Korb gelegt. Wir drücken natürlich die Daumen, dass aus den bisherigen Zusagen auch tatsächlich Verträge werden und Langscheid bald einige neue Bürgerinnen und Bürger begrüßen kann.
Kommunaler Klimapakt
Das Land Rheinland-Pfalz hat den Kommunalen Klimapakt ins Leben gerufen, mit dem Maßnahmen gefördert werden, die zum Klimaschutz beitragen. Wir freuen uns sehr, dass unser Antrag angenommen wurde und Oberwesel diesen KKP mit unterzeichnet hat. Das stärkt die Position der VG und erhöht die Möglichkeit, von den bisher 280 Millionen Euro im Topf zu profitieren. Es gibt viel zu tun und jede eingesparte Tonne CO2 zählt. Unsere Vorschläge sind auch hier bekannt und im Umlauf, wir hoffen natürlich, dass möglichst viel davon Realität wird. Ein gutes und faires Miteinander ist eine gute Grundlage für diese großen Aufgaben.
Zusammengefasst bleibt ein Bild, dass Oberwesel durch die Krisen der letzten Jahre leidlich gut durchgekommen ist. Durch Zusammenhalt, Gemeinsinn und auch durch sehr viel Ehrenamt. Aber natürlich auch durch Gewerbesteuereinnahmen und die Pachten der Windkraftanlagen. Oberwesel hat liquide Mittel und alle Möglichkeiten. Wir sollten nicht auf dem Geld sitzen wie eine Glucke, sondern die Möglichkeiten nutzen und Oberwesel voran bringen. Wir haben die Möglichkeiten, wir haben die Mittel und wir haben die Zeit. Es ist viel zu tun.
Bedanken möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei Herrn Grings, der diesen Haushalt jetzt zum dritten Mal hintereinander geduldig erläutert. Die Kämmerei ist komplex und vielschichtig geworden, da braucht man einen kühlen Kopf, um den Überblick zu bewahren. Vielen Dank dafür.
vielen Dank
Ihre Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat Oberwesel