Im Sport gibt es Verletzungen, die lästig sind, aber vermeidbar wären. Es fallen immer wieder Spieler oder Spielerinnen wegeneiner Überdehnung aus. Eine ärgelriche Verletzung, die lange Erholungszeiten nach sich zieht und meist mit guter Vorbereitung hätte verhindert werden können. Unser Haushalt droht ebenfalls, in eine Überdehnung zu gehen, daher werden wir diesem Haushalt nicht zustimmen. Warum? Wir entscheiden uns in erster Linie nicht so wegen dem, was im Haushalt steht, sondern eher wegen dem, was nicht drin ist. Aber eins nach dem anderen.
Die liquiden Mittel verschwinden.
Unsere liquiden Mittel waren mal bei 5 Millionen Euro. Gut 2 Millionen Euro haben wir in Langscheid in ein Neubaugebiet investiert. Der Haushalt 2024 sah Einnahmen durch Grundstücksverkäufe in Höhe von 700.000 Euro vor. Tatsächlich wurden in dem Jahr 0 Euro eingenommen. Der Haushalt 2025 sieht Einnahmen durch Grundstücksverkäufe in Höhe von 590.000 Euro vor. Ob diese Summe erreicht wird, bleibt offen. Es mangelt auf jeden Fall nicht am Engagement der Langscheider, das ist deutlich erkennbar. Der Markt fürs Häuserbauen ist allerdings mau, unsere Investition bleibt also eine ganze Weile im Boden. Vor allem, wenn in direkter Umgebung einige Neubaugebiete mit leeren Plätzen verfügbar sind, die zudem näher am Bahnhof sind.
Die übrigen liquiden Mittel werden genutzt, um eine massive Förderung für das Rheinufer und das Jugendheim auszulösen. Die liquiden Mittel schrumpfen jetzt von rund 5 Millionen auf 3 und nächstes Jahr auf 700.000 Euro. Unsere freie Finanzspitze ist dann ebenfalls weg. Kurz: Wir haben dann keinen Puffer mehr, falls was sein sollte. Und wir können dann auch keine weiteren Förderungen gewinnen, weil wir den Eigenanteil nicht mehr stemmen können.
Wofür wird das Geld ausgegeben?
17,5 Millionen Euro sind eine große Investition, auch wenn wir 80% davon als Förderung bekommen. Wir müssen als Stadt das Geld erstmal vorstrecken und das geht mit Krediten. Alleine im Jahr 2026 werden wir gut 350.000 Euro für Zinsen und Tilgung ausgeben müssen. In den nächsten drei Jahren geht also insgesamt rund eine Million für Zinsen und Tilgungen drauf. Und danach ist es nicht vorbei, es kommen also weitere Kosten für die Finanzierung dazu. Dieses Geld geht nicht ins Rheinufer, das geht in die Hände von Banken.
Von der übrigen Summe bestreiten wir das Rheinufer, das Jugendheim und – als deutlich kleinsten Posten – die Förderung privater Bauvorhaben im Fördergebiet.
Das Jugendheim steht jetzt mit rund 4,8 Millionen im Haushalt. Alle kennen die Entwicklung dieser Zahlen. Wir sind mal bei 1,3 Millionen gestartet und alle wissen, dass auch diese 4,8 Mio nicht die Zahl ist, die nachher auf dem Deckel stehen wird. Alleine der Abriss des Gebäudes Martinsberg 5 steht mit einer Viertel Million Euro im Haushalt. Eine Viertel Million Euro, um ein denkmalgeschütztes Haus abzureißen und Platz für eine Handvoll Stellplätze zu schaffen oder einen Anbau. Uns fehlt die Fantasie, darin etwas Kluges zu entdecken.
Zur Lücke in der Finanzierung kommt eine Lücke im Bedarf. Das Bedarfspapier, das hier in der einer der letzten Sitzungen vorgestellt wurde zeigte, welche Vereine angeblich das Jugendheim brauchen.
In diesem Papier finden sich lustige Dinge. Der Gewerbeverein macht dort angeblich einmal im Jahr eine Gewerbeschau, obwohl die letzte Schau mehr als 20 Jahre her ist und es dafür keinen Bedarf gibt – und auch die letzten Gewerbeschauen fanden überhaupt nicht im Jugendheim statt. Manche Vereine haben sich die Augen gerieben, dort mit Bedarfen auf der Liste zu stehen, nachdem in der damaligen Besprechung im Juni 2024 genau das Gegenteil formuliert wurde. Ob die Bücherei wieder nach oben auf den Berg will, jetzt wo hier unten endlich mehr Besucher kommen, bleibt ebenfalls fraglich. Und die Urbarer werden ihre Instrumente auch nicht mehr dort lagern wollen. Dieses Bedarfspapier ist ein großer Kuchen, der aber nur aus wenig Teig gemacht wurde.
Ist es klug, den Bedarf schön zu rechnen und die Kosten klein? Die Antwort überlasse ich jedem einzelnen. Über die laufenden Unterhaltskosten haben wir dabei noch nicht mal gesprochen.
Mit solchen Tricks kann man am Ende sogar bei der oberen Denkmalbehörde eine Abrissgenehmigung gewinnen. Zum Glück nur eine bedingte Abrissgenehmigung, die erst gilt, wenn eine Baugenehmigung vorliegt. Man kann so agieren, aber so ein Verhalten zerstört langfristig viel Vertrauen.
Zum Rheinufer
Es steht außer Frage, dass hier dringend was passieren muss. Eine solche Gelegenheit wie jetzt wird es lange nicht geben. Wir entscheiden jetzt, wie das Rheinufer die nächsten 40 bis 50 Jahre aussehen wird. Und nach den bisherigen Plänen wird es so sein, dass alles neu gemacht wird. Das ist auch gut und richtig so. Aber Oberwesel wird leider auch mit dem neuen Rheinufer keine zeitgemäße Fahrradinfrastruktur haben. Es werden immer mehr Radfahrer, immer mehr Fußgänger und der Radweg bleibt so schmal wie er ist. Die Fahrradinfrastruktur der Zukunft sieht anders aus und kann an sehr vielen Orten schon bestaunt werden. Aber: Mehr war nicht drin, man wird am Tag der Eröffnung mit dem Kopf schütteln und fragen, warum man es nicht direkt gescheit gemacht hat. Wir werden also die nächsten 40 bis 50 Jahre mit zu engen Radwegen auskommen müssen oder hätten jetzt die Gelegenheit, das zu ändern.
Die Einnahmen
Die liquiden Mittel der Stadt sind also bald erschöpft. Wie sieht es mit der Einnahmenseite aus? Hier ist durch den Wegzug eines einzigen Unternehmens ein sechsstelliger Betrag an Gewerbesteuer dauerhaft weggebrochen. Neuordnungen der Grundsteuer, Forderungen von VG und Kreis nagen ebenfalls langfristig am Oberweseler Haushalt. Die Einnahmenseite wird also kleiner, die liquiden Mittel sind erschöpft. Durch die Grundsteuerreform fehlen im Haushalt zudem in diesem Jahr rund 240.000 Euro. Dieses Loch stopfen wir mit den Pachteinnahmen der beiden jüngsten Windkraftanlagen. Langfristig werden wir aber wohl nicht um eine Erhöhung der Grundsteuern herumkommen. Die Einnahmen aus Gewerbesteuer vorherzusagen, ist hingegen sehr schwer. In den letzten Jahren gab es hier einige Schwankungen und die Weltwirtschaft ist gerade auf Achterbahnfahrt. Damit komme ich zu:
Den Risiken
Das alles wäre irgendwie zu vertreten, wenn es ein erkennbares Risikomanagement gäbe. Jeder weiß: wenn die öffentliche Hand baut, wirds erstens teurer und zweitens als gedacht. Was passiert also, wenn die Budgets erschöpft sind, unsere liquiden Mittel aufgebraucht und das Jugendheim steht mitten in der Bauphase auf einmal ohne Dach im Regen und am Rheinufer gehts nicht weiter? Woher kommt das Geld dann? Wir haben das im Haupt- und Finanzausschuss gefragt. Die Antwort ist: Wir nehmen Kredite auf.
Diese Kredite werden nach jetzigem Stand nicht gefördert, wir müssen sie also als Stadt komplett alleine stemmen. Nehmen wir an, wir würden weitere 5 Millionen Euro an Krediten aufnehmen müssen, dann kämen zu den jetzigen Zins- und Tilgungskosten konervativ geschätzt weitere 200.000 Euro Kosten hinzu. Jedes Jahr, viele Jahre lang, bis der Kredit getilgt ist. Geld, das im Haushalt fehlen wird. Einen Plan, wie wir mit diesem Risiko umgehen, haben wir nicht erkennen können. Die Wahl der Wasserhähne im Jugendheim wird auf jeden Fall nicht den Haushalt retten können.
Wir beheben den Sanierungsstau.
Der Kindergarten und der Busbahnhof sind leider einige Jahrzehnte vernachlässigt worden. Dieser Sanierungsstau wird jetzt zum Glück behoben. An dieser Stelle sei ausdrücklich Ralph Becker gedankt, der unermüdlich über viele Jahre auf diese Mängel und die Risiken hingewiesen hat. Oft musste er sich Sprüche anhören, aber er hat nicht locker gelassen und sogar selbst Hand angelegt, kostenlos natürlich. Vielen Dank dafür.
Das Budget, das jetzt im Haushalt für den Kindergarten steht, ist gut die Hälfte von dem, was im Gutachten für erforderlich gehalten wurde.
Es ist gut, dass der Sanierungsstau endlich angegangen wird, aber auch hier gibt es kein erkennbares Risikomanagement von Seiten der Stadt. “Wird schon gut gehen” ist ok, wenn man alleine üben will, mit Messern zu jonglieren. Beim Umgang mit öffentlichem Geld fehlt hier eindeutig die Weitsicht.
Wer zahlt den Preis für diesen Haushalt?
Den Preis für diesen Haushalt zahlen am Ende die Jugendlichen. Es gibt immer noch keine offene Jugendarbeit, die die Eltern entlastet und niederschwellige Angebote macht. Wir weisen jedesmal wieder gerne darauf hin.
Den Preis zahlen wir alle ebenso mit einer Innenstadt, die nicht mehr stirbt, sondern schon das Tuch über dem Gesicht hat. Mit Roland Schmelzeisen ist ein weiteres Unternehmen gegangen, ein weiteres Fenster dunkel. Roland hat händeringend eine Nachfolge gesucht, aber es hat nicht sollen sein. Ihm und seinen Mitarbeiterinnen alles Gute an dieser Stelle.
Gibt es eine Idee oder einen Plan der Stadt, um die Innenstadt zu beleben? Oder überhaupt ein Interesse daran? Auf Nachfrage gibt es keinen Plan. Andere Orte sind da besser aufgestellt und werden belohnt mit höheren Besucherzahlen und jungen Leuten, die tatsächlich in den Ortskernen wohnen wollen. Alle Fachleute sind sich einig, dass die Kommunen hier aktiv werden müssen. Oberwesel wird hier nicht aktiv und guckt lieber in leere Fenster.
Und es werden auch noch ein paar leere Fenster dazu kommen. Die Buga braucht Platz. In den nächsten Jahren werden dort viele Leute eingestellt, die alle ein Büro brauchen. Oberwesel ist es nicht gelungen, hier ein entsprechendes Angebot zu machen. Jetzt wird es aller Voraussicht nach St. Goar sein, wo die bis zu 60 Mitarbeiter:innen der Buga ihr Quartier aufschlagen. Im Wahlkampf im letzten Jahr wurde noch der Imagegewinn betont, den Oberwesel durch die Bugazentrale hat. Ab nächstem Jahr haben wir ein leeres Rathaus. Wir haben uns schwer getan, darin etwas Sinnvolles zu sehen.
Gibt es eigentlich irgendwelche Pläne von der Stadt Oberwesel, Teil der Buga zu sein? Wird es reichen, neue Anlagen am Rheinufer zu zeigen? Wird das alleine Leute animieren, hier auszusteigen und hier zu bleiben, wenn in den Nachbarorten die eigentlichen Buga-Areale locken? Es ist kein Plan erkennbar und wir müssten jetzt mit den Vorbereitungen beginnen, um dabei zu sein.
Zukunft kommt im Haushalt nicht so viel vor. Es fehlen im Haushalt zum Beispiel Positionen für Klimaschutz und Barrierefreiheit, aber damit hat auch keiner ernsthaft gerechnet.
Sicher: Oberwesel holt mit diesem Haushalt ein paar der größten Defizite nach. Antworten auf eine Zukunft mit immer mehr älteren Mitmenschen und heißeren Sommern kommen hier nicht vor.
Aber vielleicht tun wir auch dem Stadtvorstand Unrecht und all das passiert gerade schon im Hintergrund und wir bekommen davon nur nichts mit, weil der Stadtvorstand nicht kommuniziert. Die Vorbesprechungen mit dem Ältestenrat sind weitgehend eingestellt, die Kommunikation zwischen Stadtvorstand und den Ratsmitgliedern der Opposition ist auf das absolute Minimum reduziert. Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern bleiben unbeantwortet oder werden in der Ratssitzung mit Paragraphen weggewedelt. Es fällt schwer, darin eine »Politik für alle« zu erkennen.
Projekte wie die neue Oberwesel Stadt-App werden am Stadtrat vorbei gestartet, ohne Besprechung, ohne Budgetierung, ohne demokratische gute Sitten. Übrigens hat die Stadt Andernach mit dem gleichen Anbieter eine Andernach Stadt-App entwickelt. Andernach stellt gerade ihre App wieder ein, weil pro Tag nur zwei Nutzer drauf waren. Nicht alles, was digital ist, ist auch Digitalisierung.
Wir werden immer öfter angesprochen, dass man nichts mehr mitbekommt, was so ansteht. Im Blättchen taucht Langscheid mittlerweile dreimal häufiger auf als Oberwesel. Für einen kleinen Ort wie Oberwesel ist es fatal, wenn ein paar Leute in der Verantwortung eine Wagenburg bilden und nichts nach außen dringen lassen. Auch hier gelingt es anderen Orten wesentlich besser, ein offenes und konstruktives Miteinander zu pflegen. Ein Miteinander, in dem viel Gutes entstehen kann, wie es hier zuletzt beim lebendigen Adventskalender zu sehen war.
Zurück zum Haushalt. Es gibt enorme Ausgaben, von denen viele gut und richtig sind. Es gibt aber keinen erkennbaren Umgang mit Risiken, es gibt keinen Plan, die Innenstadt zu retten und es gibt keine Pläne, wie Oberwesel von der Buga profitieren möchte. Wir sehen hier eine Überdehnung mit langfristigen Folgen.
Die Einnahmenseite wird langfristig bestenfalls stagnieren, die liquiden Mittel sind erschöpft, die freie Finanzspitze wird verschwinden und die Spielräume für die dringend notwendige Gestaltung des Miteinanders sind weg. Wir werden diesem Haushalt daher nicht zustimmen und hoffen auf eine Politik mit mehr Weitsicht und mehr Interesse an der Stadt.